Zur Andacht und zur Mahnung an das schreckliche Leid von Krieg und Verfolgung beteiligten sich auch dieses Jahr wieder zahlreiche Bürgerinnen und Bürger sowie Abordnungen unserer Vereine und Verbände zum Gedenken anlässlich des Volkstrauertages. Kaplan Peter Bosanyi hielt den vorhergehenden Gottesdienst sowie die anschließende Gedenkfeier am Kriegerdenkmal wieder in ein einem sich gebotenen ehrenvollen Rahmen. Dafür ein herzliches „Vergelt`s Gott“. Im Namen der Gemeinde vielen herzlichen Dank für die zahlreiche Beteiligung der Vereine, Verbände und Bürgerschaft zu diesem wichtigen Gedenken.

Robert Bauer, Bgm.

Die Rede des Bürgermeisters zum Volkstrauertag:

Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger,
sehr verehrte Vereinsabordnungen,
werte Besucher der Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages 2023,
hochwürdiger Herr Kaplan Peter Bosanyi,

Volkstrauertag. Der Tag, an dem die Gedanken an gestern den Blick auf heute lenken, um morgen besorgt.
Blicken wir ins gestern. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges – des letzten großen Krieges hier direkt bei uns – und damit einhergehend des schrecklichen Nationalsozialismus – sie rückt mit dem Ableben der Kriegsgeneration und zunehmend auch der Kriegskindergeneration in immer weitere Ferne. In wenigen Jahren werden die letzten Zeitzeugen verstoben sein.
Indes mangelt es an Gedenkanlässen auch in diesem Jahr nicht. 

Der 30. Januar 1933 beispielsweise – vor 90 Jahren – er markierte das Ende der Weimarer Republik. Sie siechte eigentlich schon mit ihrer Geburt dahin; zu viele Hypotheken, Defizite und fatale Traditionen hatten das Entstehen einer stabilen Demokratie bereits schon im Ansatz verhindert. Ab diesem Tag brachte Hitler Schritt für Schritt Deutschland unter seine Herrschaft.
Nur zehn Jahre später dann, am 2. Februar 1943, – vor 80 Jahren – kapitulierte die 6. Armee im Kessel von Stalingrad. Der Name der Stadt an der Wolga, das Leiden der Soldaten und der dort verbliebenen Zivilbevölkerung haben sich bis heute tief im kollektiven Gedächtnis der beteiligten Nationen eingegraben. Mehr als 100.000 deutsche Soldaten gingen in die Gefangenschaft, nur rund 6000 Männer kehrten heim. Das genaue Ausmaß der Tragödie ist rückblickend schwer zu schätzen, aber man nimmt an, dass über zwei Millionen Menschen in dieser Schlacht und danach starben. Würde man alle ihre Namen vorlesen wollen, so würde dies – so konnte ich recherchieren – zwei Monate dauern. Wir reden hier NUR von EINER Schlacht EINES Krieges…
Die ungeheuerlichen Ausmaße und Folgen des Zweiten Weltkrieges sind in ihrer Wucht und ihrer Destruktivität einzigartig in der Geschichte: Über 60 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte von ihnen Zivilisten, verloren ihr Leben durch kriegerische Handlungen, Völkermord in Lagern konzentrierten Grauens, Bombenangriffe, Flucht, Vertreibung und Verschleppung. Kaum eine Familie blieb von den Auswirkungen dieses Krieges verschonet.  

Und heute?

Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022, dessen Ziel es ist, die Ukraine als souveränen Staat von der Landkarte zu tilgen und das alte Zaren- oder gar das Sowjetreich mit Gewalt wieder zusammenzuraffen – ein Wahn – hat die europäische Friedensordnung schwer erschüttert. Es sind Zehntausende von toten und Verwundeten zu beklagen – Frauen und Kinder, Alte und Schutzlose; Menschen, die ihre Heimat verteidigen und Menschen, die von einem Despoten in den Kampf geschickt werden. Leid und Tod auf beiden Seiten, zerstörte Städte und Landschaften, die größte Fluchtbewegung seit 1945.
Und auch mit Blick in den Nahen Osten, auf die jüngsten Kriegsgeschehnisse in der Region Gaza, stellt sich ernüchternd dar, wie es um die Menschheit und den Frieden für die Welt bestellt ist.
Terroranschläge, nicht enden wollende Kriege und Konflikte, unberechenbare Politiker, Flüchtlingsströme… Auch überwunden geglaubte Gegensätze, sie flammen immer wieder auf. Warum finden wir keine Wege…?
„Krieg ist ein Ort, an dem junge Menschen, die sich nicht kennen und sich nicht hassen, sich gegenseitig töten, basierend auf Entscheidungen alter Menschen, die sich kennen und hassen, sich aber nicht gegenseitig töten…“ sagte einst Paul Valery.
Politiker versammeln sich in großer Zahl zu immer neuen Gipfelgesprächen, man spricht eindringlich über und massiv für Abrüstung. Jedoch, KEINER will wirklich den Anfang machen. Es ist der – wie sich oft auch herausstellt – berechtigte Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit und dem Friedenswillen des anderen.
Müssen wir uns nach diesen Jahrtausenden ständiger Kriege nicht fragen, ob der Mensch an sich nicht vielleicht schon in seiner Anlage das Problem darstellt? Im Grunde möchte doch jeder in Frieden leben. Das Problem entsteht meist wesentlich unterbewusster, dann nämlich, wenn Egoismus das Zentrum des eigenen Handelns bestimmt.
Sich dessen bewusst zu sein, gibt uns das nicht die Chance/Möglichkeit gerade solches Verhalten zu ändern? Könnten wir es nicht vielleicht lernen, dann in letzter Instanz auf Gewalt zu verzichten? Mit dem Versuch als Menschheit im Gesamten ganz anders zu werden.

Wie kann das geschehen, und wo sollte man anfangen? Ich glaube, wir müssen von Grund auf beginnen. Bei den Kindern.
Sie werden die Geschäfte unserer Welt und was davon bleibt kann, übernehmen.
Sie sind es, die morgen über Krieg und Frieden in der Welt bestimmen werden und darüber, in was für einer Gesellschaft sie leben wollen: In einer, in der die Gewalt nur ständig weiterwächst, oder in einer, in der die Menschen in Frieden und Eintracht miteinander leben?

Gibt es die Hoffnung, dass die Kinder, unser Nachwuchs von heute, eine gesamt friedlichere Welt aufzubauen vermögen? 

Menschen mit Macht können zu jedem Augenblick schicksalsschwere und folgenreiche Entscheidungen fällen. Ein einziger Mensch kann aus Machtgier, Rachsucht, Eitelkeit oder Habgier – aus dem blinden Glauben heraus, dass Gewalt das wirksamste Mittel in allen Situationen ist – Krieg und Gewalt den Weg ebnen.
Entsprechend konnten wir auch schon sehen, dass ein einziger guter und besonnener Mensch reicht, um Katastrophen zu verhindern. Dadurch, dass er bewusst auf Gewalt verzichtete – mit dem Wissen daran, dass Gewalt nie die Lösung sein wird. 


Daraus kann ich nur eines folgern:
Es sind IMMER auch einzelne Menschen, die die Geschichte der Welt bestimmen. Nicht alle davon waren bisher gut und besonnen. Viele, welche ihren Weg durch Gewalt zeichneten. Sind sie von Natur aus böse? Mit Sicherheit nicht, möchte ich behaupten.
Die Intelligenz, die Gaben des Verstandes, mögen zum größten Teil angeboren sein; aber in keinem neugeborenen Kind schlummert ein Samenkorn, aus dem zwangsläufig Gutes oder Böses sprießt.
Ob ein Kind zu einem warmherzigen, offenen und vertrauensvollen Menschen mit Sinn für das Gemeinwohl heranwächst oder aber zu einem gefühlskalten, destruktiven, egoistischen Menschen, das entscheiden die, denen das Kind in dieser Welt anvertraut ist, je nachdem, ob sie ihm zeigen, was Liebe ist oder das eben nicht tun.
„Überall lernt man nur von dem, den man liebt“, hat Goethe einmal gesagt.
Ein Kind, das von seinen Eltern und der Familie liebevoll behandelt wird, gewinnt dadurch ein liebevolles Verhältnis zu Umwelt und Gesellschaft. Es bewahrt sich diese Grundeinstellung ein Leben lang. Und das ist auch dann gut, wenn das Kind später nicht zu denen gehört, die das Schicksal der Welt lenken. Sollte das Kind aber wider Erwarten eines Tages doch zu diesen Mächtigen gehören, dann ist es für alle ein Glück, wenn die Grundhaltung durch Liebe geprägt wurde und nicht durch Gewalt. Verhaltensnormen brauchen wir alle und durch das Beispiel ihrer Eltern, der Familie, dem nahen Umfeld, der Gesellschaft lernen die Kinder mehr als durch irgendwelche anderen Methoden.
So wollen wir ihnen alle durch unser Beispiel zeigen, dass es eine wertvolle Art zu leben gibt: OHNE GEWALT! Gemeinsam für den Frieden – von Beginn an – im Kleinen und im Großen!
Wir können Beispiel sein. Jeden Tag – im täglichen Miteinander. Und das könnte mit der Zeit ein winziger Beitrag zum Frieden in der Welt sein.
Dankeschön!